Sie werden vielleicht bemerkt haben, lieber Freund, dass es viele Dinge in Ihrem Briefe gibt, die ich mit Schweigen übergehe. Wundern Sie sich darüber nicht, Vater und Großmutter haben gewollt, dass ich ihnen meinen Brief, den ich an Sie schrieb, zeige, und die letztere besonders hat mir vor allem empfohlen, Ihnen nicht zu zärtlich zu schreiben. Ein Glück, dass die Gedanken und Empfindungen zollfrei sind, und über diese kann sie keine Vorschriften machen. Vernehmen Sie, teurer Prinz, dass die Namen: Freundin, liebe Luise, alles das mir ein wirkliches Vergnügen gemacht hat. Nennen Sie mich immer, wie Sie wollen, in meinem Leben wird es mir nicht in den Sinn kommen, das böse zu finden, im Gegenteil, es macht mich froh. Da wir vom ersten Augenblick unserer Bekanntschaft an natürlich und ohne Zwang beisammen waren, scheint es mir, dass ich Ihnen den Grund hätte sagen sollen, warum in meinem Briefe ein gewisser gezierter Stil herrschte, der mir keineswegs natürlich ist, sonst könnten Sie glauben, dass das nicht der Fall ist. Im Gegenteil: Sie sind mir nicht gleichgültig, und sie kennen meine Gefühle für Sie; so habe ich nicht nötig Ihnen zu wiederholen, dass ich Ihnen recht herzlich gut bin. Seien Sie stets derselbe gegen mich, ich gestehe Ihnen, dass mein Herz unfähig ist, sich zu verändern. Wenn Sie noch in Tribur wären, verspräche ich mir viele Tage wie den 24., der einer der schönsten meines Lebens gewesen ist. Bitte, lieber Prinz, zeigen Sie diesen kleinen Zettel keiner lebenden Seele, und wollen Sie darauf antworten, so tun Sie das nicht in Ihrem Brief, sondern auf einem kleinen Blatt für sich, damit Großmutter es nicht merkt, sonst habe ich Verdruss davon. Aber ich meinerseits meine, dass ich Ihnen das schuldig war, um Ihnen die Wahrheit zu sagen. Hoffentlich bleiben Sie noch einige Zeit in Wiesbaden, denn unser Briefwechsel würde desto lebhafter sein, die Briefe sind nur zwei Tage unterwegs. – Noch eins: Großmutter wollte, dass ich ein Konzept für den Brief an Sie mache, weil ich nicht richtig orthographisch schreibe; ich gestehe; dass das nicht schön ist aber Sie müssen auch meine Fehler kennen lernen, vielleicht, wenn ich in meiner Kindheit fleißiger gewesen wäre, wäre ich in der Lage, Ihnen ohne Fehler die Empfindungen meines Herzens zu sagen, so kann ich es nur immer fehlerhaft. Eine Bitte: lassen Sie mich durch irgendwen wissen, wann Sie Wiesbaden verlassen, damit ich immer weiß, wo Sie sind, mein lieber Prinz. Viele Empfehlungen an Herrn von Schak und Ihren Diener, seien Sie nicht eifersüchtig auf diesen.
Lieben Sie immer Luise
Luise Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz an Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen
Darmstadt, 27. März 1793